Videospielrezensionen und die Bewertung von Videospielen

Abbildung 1: Einige Bewertungen zum Spiel Senran Kagura: Peach Beach Splash (PS4, PC)

Videospielrezensionen und die Bewertung von Videospielen

Ich wette jeder hat schon mal eine Rezension in einer Zeitschrift oder einem Onlineartikel zu einem seiner Lieblingsspiele gelesen und kam zu der Ansicht: "Huuuhh?! Wie kamen die denn auf diese (schlechte) Wertung?"

Das erste Mal, wo mir das wirklich auffiel war 2008, mit der Erscheinung von Sonic Unleashed. Damals gewann ich den Eindruck, dass die Wii-Version sehr viel positiver bewertet wurde als die PS3-/Xbox360-Version (letztere hier fortan ab und zu auch Next-Gen-Version genannt). Als das Spiel erschien, konnte ich nur die Wii-Version spielen. Erst zwei Jahre später, als ich mir eine Xbox360 leisten konnte, war mir ein persönlicher Vergleich möglich. Bis dahin hatte ich nur von Bildern und Videos den Eindruck, dass mir die Xbox360-Version besser gefallen würde, was dann tatsächlich auch der Fall war. Fragt ihr euch auch, wie das sein kann? Vielleicht habt ihr ja auch schon eigene Beispiele dazu, wo euch ein Spiel komplett begeistert oder eben unbeeindruckt gelassen hat aber die Fachpresse scheinbar anderer Meinung war? Auf diesen Umstand möchte ich heute etwas eingehen. Also werfe ich heute mit euch einen Blick auf Videospielbewertungen!

Zwei Fragen erscheinen mir dabei wichtig:

  1. Warum werden Spiele bewertet?
  2. Wer bewertet Spiele und wie werden sie bewertet?

Ok, das sind eigentlich drei Fragen aber das Wer? und Wie? hängt für mich stark zusammen.


1. Warum werden Spiele überhaupt bewertet?

Die kurze Antwort: Weil sie verkauft werden sollen. Die lange Antwort könnt ihr nun hier lesen:

1.1 Spiele sind Unterhaltungsprodukte.

Dadurch, dass Spiele Unterhaltungsprodukte sind, stehen sie in ständiger Konkurrenz zu anderen Freizeitangeboten. Das können bspw. sowohl andere Medienangebote wie Filme, Bücher oder Musik sein, einfach im Internet surfen oder ganz andere Dinge, wie abends mit Freunden in einer Bar abhängen oder Sport zu treiben. Um sie für mögliche Käufer attraktiv wirken zu lassen hat es sich etabliert, solche Produkte zu bewerten, um anzuzeigen, dass wir mit ihnen unsere kostbare Zeit nicht vergeuden. Das ist auch bei Filmen und Büchern so, wodurch Bewertungen eine Art Kompass sind, welche Produkte eher empfehlenswert und damit ihr Geld aber eben auch die Zeit, die man in sie investiert, wert sind.

Um anzuzeigen, dass etwas gut ist, kann man ganz stumpf eine Verkaufsliste wie Bestsellerlisten bei Büchern oder Kino- bzw. Musikcharts verwenden oder sich die Mühe machen Rezensionen anzufertigen, die beschreiben, was genau ein Produkt gut oder schlecht macht. Oder man vergibt einfach eine schnell verständliche Bewertung anhand einer Skala, damit auch potenzielle Kunden, die nicht so lesefreudig sind, eine Bewertung sehen können. Prozentskalen, IMDB-Ratings, 7 von 13 Tomaten oder was auch immer, ihr kennt das sicher. All diese Methoden dienen dazu, Kunden zu suggerieren, dass es sich lohnt in ein Produkt zu investieren – bspw. Zeit und/oder Geld. Besonders die angesprochenen Ratings scheinen die angesprochenen Produkte zwar vergleichbar zu machen ...aber… machen sie das wirklich?

Abbildung 2: Zwei Beispiele für Werbung mit Bewertungen. Sonic Unleashed (Wii) ist ein GameStar Silber Top-Hit ("Innen Geschmack"?), bekam aber "nur" Silber, und The Legend of Zelda: The Wind Waker wurde durch die N-Zone mit 95% bewertet, was soll ich nur kaufen?! (Hab beides gekauft.)

Abbildung 3: Auch mit verbalen Aussagen, wie Auszügen aus Reviews und publikationsexklusiven Auszeichnungen wird auf Spielpackungen geworben. Von Links nach rechts: Persona 3 (PS2), Shadow of the Colossus (PS2), Prince of Persia: Sands of Time (PS2)

Als kreative Medien schwingt bei Spielen, ähnlich wie bei Filmen, noch ein künstlerischer bzw. kreativer Aspekt mit. Natürlich kann man über die Ausführung und die technischen Aspekte relativ klare Aussagen machen, doch wie unterhaltsam, bewegend oder künstlerisch wertvoll etwas ist, kann nur subjektiv entschieden werden. Man könnte jetzt darüber streiten, wie künstlerisch wertvoll Unterhaltungsmedien sind oder auch Auftragskunst ist, aber dann wären auch viele traditionelle Kunstwerke bspw. in Kirchen oder andere in Auftrag gegebene Werke in Frage gestellt. An dieser Stelle schlage ich daher vor, dass man sich einfach auf den kreativen Prozess hinter einem Spiel einigen kann und wir gemerkt haben, dass ein Unterhaltungswert subjektiv beurteilt wird.

Während ich also normale Produkte wie einen Korkenzieher (unabhängig ob dieser aufwändig designt wurde) stumpf nach dessen Funktionalität bewerten kann, fällt das bei Medienprodukten eben nicht so leicht. Ob mich Halo, Counterstrike, Fortnite oder doch Splatoon als Multiplayershooter begeistern, hängt von vielen Faktoren ab, unabhängig davon, dass sie alle kompetent das Genre vertreten. Eben weil nicht die Funktion sondern der Unterhaltungswert im Vordergrund steht. "Korkenzieher entkorkt Flaschen in Sekunden ist aber nicht hübsch 1 von 5 Sternen." Hm. Ob ich einen Shooter im Comic- oder Animestil oder hyperrealistisch bevorzuge, kann schon ausschlaggebend sein, genauso ob für mich Story oder Multiplayer wichtiger sind. Mir sind auch schon Spiele untergekommen, die ich erst gar nicht mochte und dann nach einigen Monaten nochmal ausprobierte und dann liebte.

Das einzige, was man aus einer Rezension wirklich herauslesen kann ist, ob es dem jeweiligen Tester gefallen hat. Liest man aber zwischen den Zeilen, wird man auch aus einer eher negativen Bewertung ein Fazit ziehen können, ob man selbst damit vielleicht Spaß hätte. Insofern hilft es ungemein zu lesen, was genau der Testperson nicht gefallen hat. So kann die PS4 Version eines Spiels unter Umständen durch schärfere Darstellung technisch besser bewertet werden als die Switch Version. Mir persönlich würde dagegen der mobile Faktor die leichte Unschärfe mehr als nur aufwiegen. Die Mobilität wäre für mich bspw. sogar ein klares Verkaufsargument gegenüber der rein stationären Version.

Ein Videospiel enthält als Medienprodukt im Gegensatz zum rein funktionalen Produkt eine Botschaft. Diese wird vom Autor als Nachricht codiert und wird vom Empfänger (Betrachter/Spieler) decodiert. (Willkommen in der Medientheorie!) Angenommen eine Spielszene spielt im Wald, dann kann das vom Spieler ganz unterschiedlich interpretiert werden. Naturverbundenheit, abseits der Zivilisation, Verlorenheit, Einsamkeit oder Ruhe, sind nur einige Dinge, die einem nur zum Handlungsort schon einfallen können. Ich erinnere mich noch, dass mir jemand sagte, der „tiefe Wald“ in Final Fantasy XIV sei gar kein schöner dichter Wald, wogegen ich mich im Spiel sehr gern dort aufhalte, genau weil es sich für mich wie ein überwucherter Wald anfühlt. Wie wir etwas wahrnehmen ist extrem subjektiv und von uns, unseren Erfahrungen und eigenen Überzeugungen abhängig. Im Alltag können wir immerhin in einen Dialog treten und kennen meist auch unseren Gesprächspartner, wodurch wir eine gewisse Einschätzung zu ihm haben. Bei medialen Werken, seien es Bilder, Bücher, Filme, Musik oder eben Spiele, muss diese Interpretation ohne den Dialog geschehen. Das geschieht dabei nicht nur über eben jenes Medium, also Spiel, Controller, Bildschirm hinweg, sondern oft auch über diverse kulturelle Hintergründe und Sprachen hinweg. Wenn ich ein japanisches Spiel mit englischen Untertiteln Spiele, ist da bereits ein Transfer geschehen und ich muss einen weiteren Transfer bewerkstelligen, egal wie gut mein Englisch sein mag. Natürlich tritt man heute oft in Dialog mit anderen Empfängern, was die Nachricht aber nicht zwingend eindeutiger macht. Spieler, selbst wenn sie allgemeinhin als Fangemeinde oder neuerdings Community bezeichnet werden, sind ungemein divers, weshalb dort alle erdenklichen und undenkbaren Interpretationen des Spielinhalts auftauchen werden. (Und nicht jeder Autor ist wie J.K. Rowling so gnädig sich selbst nach Jahrzehnten für jede Nachfrage eine neue Interpretation auszudenken. Zum Glück.) Außerdem ist nicht jeder dazu bereit sich stundenlange Making-Ofs anzuschauen oder sich zum Autor zu belesen, um eine potenzielle Botschaft womöglich besser interpretieren zu können. Bei manchen Werken (wie Videospielen) gibt es ohnehin eine Vielzahl von Autoren. Und selbst dann, wenn man jedes erdenkliche Making-Of geschaut hat und einen kleinsten gemeinsamen Nenner innerhalb der Meinungen der Spieler ausfindig gemacht zu haben glaubt, bleibt die Interpretation das was sie ist: eine Interpretationsmöglichkeit. Zumal, wo bliebe der Spaß, wenn die Interpretationshoheit beim Autor bliebe? Dann müssten wir nicht spielen, sondern nur den Autor fragen, was er uns mitteilen möchte. Ist die Botschaft überhaupt wichtig und interpretationsbedürftig? Auch das liegt letztendlich beim Spieler zu entscheiden. Vielleicht löst man auch nur die technischen Aufgaben (Gameplay) ohne sich sehr viel beim drum rum zu denken.

Das in Super Mario Bros. schon im ersten Bildschirm eine enorme kommunikative Leistung steckt, in der so ziemlich das gesamte Spielprinzip erklärt wird, nämlich laufe von links nach rechts, springe auf Gegner und von unten gegen Blöcke, ist heute relativ bekannt und doch wird wahrscheinlich kaum ein Spieler staunend davor sitzen und diese extrem gut vermittelte Botschaft beklatschen, denn die Anerkennung dieser Leistung ist nicht das, was einem als Spieler gerade wichtig ist. Die Kommunikation wird einfach hingenommen, oder besser gesagt aufgenommen und ganz unterbewusst darauf reagiert und gelernt.[1]

Was Leute begeistert und was Ihnen gefällt kann unglaublich unterschiedlich sein. Selbst wenn ein Action-Adventure 9/10 Punkten hat, kann mir ein rundenbasiertes RPG eventuell so viel mehr geben, auch wenn es nur 6/10 Punkten abbekommen hat. Dennoch gibt es Bewertungen und sie können Ansätze liefern, um Interesse an bestimmten Spielen zu wecken.

1.2 Fallbeispiel zur Bewertung: Spiele unterliegen gesetzlichen Regeln

Manchmal kommen wir aber nicht umher mediale Kunst(-produkte, eigentlich ein seltsames Wort) zu bewerten. Um Altersempfehlungen oder auch -beschränkungen, sowie nationale Gesetze zu Medienprodukten einhalten zu können, müssen Produkte wie Filme und Spiele inhaltlich analysiert werden. In Deutschland kümmern sich dafür die FSK um Filme und die USK um Videospiele. In Bezug auf Videospiele hat die USK bestimmte Kriterien erstellt, nach denen Spiele bewertet werden. Diese richten sich danach, ob es wahrscheinlich ist, dass das jeweilige Spiel die Entwicklung eines Kindes beeinträchtigen kann. Wie außerdem aus den Dokumenten der USK hervorgeht, hat das nicht zwingend mit der Komplexität der Spielmechanik oder Geschichte zu tun. Näheres dazu könnt ihr bei der USK selbst nachlesen.[2]

Beispiele aus der Vergangenheit zeigen aber auch, dass selbst ein System, wie es bspw. USK und FSK benutzen, nicht perfekt ist. So wurde bspw. das Spiel Gal Gun 2 von der USK als potenziell jugendgefährdend eingestuft und erhielt somit zuerst keine Alterseinstufung von Ihnen, wodurch das Spiel der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (kurz BPjM) zur Indizierung vorgelegt wurde. Diese wiederum sah die Indizierungskriterien nicht erfüllt, wodurch es nochmals bei der USK landete und abschließend eine Freigabe ab 18 erhielt.[3]

Es gibt auch noch andere Beispiele, wie bspw. die Indizierung des Films Starship Troopers, die 1999 erfolgte und 2017 vorzeitig aufgehoben wurde. Mittlerweile ist der Film sogar von der "FSK ab 16 Jahren" eingestuft. Diese beiden Beispiele sollen verdeutlichen, wie schwierig tatsächlich eine Bewertung medialer Inhalte sogar mit einheitlichen Kriterien und Standards ist. Das bedeutet nicht, dass solche Bewertungen obsolet sind, sondern dass sie a) ein Abbild der aktuellen sozialen Situation sein können und b) subjektiv geprägt sind.

Bei den Recherchen zu diesem Post bin ich auch noch auf einen anderen Ansatz gestoßen. Das auch Kunst bewertet wird ist nichts neues, jeder von uns hatte mit Sicherheit Kunstunterricht an der Schule. Und einige empfanden sicher schon damals die Bewertungen als unglücklich. Prof. Dr. Georg Peez (Professor für Kunstpädagogik an der Goethe-Uni in FFM) stellt in seinem Blog einige Vorschläge zusammen, wie Kunst im Unterricht bewertet werden kann. Dabei unterteilt er mögliche Vorgehensweisen in drei Gruppen.

  1. Evidenzurteile: Eine nicht besonders transparente aber schnell durchzuführende Gruppe der Bewertung, allerdings eher subjektiv.
  2. Kriterien-/Kategorienorientiert: Es werden Punkte für bestimmte Aufgabenbereiche vergeben, die vorher den Schülern bekannt sind. Zahlenskalen bspw. können in Noten umgerechnet werden. Hier ist die Objektivität stärker vertreten
  3. Teilnahmeorientiert: Kriterien sind nicht nur vorher bekannt, sondern möglichst auch zusammen mit den Schülern (also den späteren Autoren) erarbeitet. Die Bewertung ist ausführlich und mit der Selbstbewertung verknüpft, wodurch die reflektierend ist.

Ziel bei diesen Methoden ist es natürlich eine Notenfindung allgemein nachvollziehbar zu machen, aber im Sinne eines Unterrichts natürlich auch, die jungen Autoren im Umgang mit Kunst zu schulen. Den pädagogischen Antrieb dürften Magazine, die Spiele bewerten eher nicht haben, allerdings haben wir bspw. die USK, die Werke sehr intensiv untersucht und ebenfalls eine Form der Selbstkontrolle nach bestimmten Kriterien darstellt. Am Ende steht zwar eine Alterseinschätzung und keine Qualitätsbenotung aber wir können daran sehen, dass der Prozess für Videospiele nicht abwegig sondern sogar gängige Praxis ist. [4]

2. Wer bewertet Spiele und wie werden sie bewertet?

2.1 Videospieljournalismus und die Leserwahrnehmung

Abgesehen vom eben aufgezeigten Beispiel, bei dem Spiele zur Einhaltung des Jugendschutzes bewertet werden, ist der eigentliche Akteur bei der Bewertung der Videospieljournalismus.

Als ich begann mich intensiv für Videospiele zu interessieren (und endlich richtig lesen konnte), gab es hauptsächlich zwei Lager in der deutschen Videospielberichterstattung. Die einen waren von normalen Verlagen publizierte und journalistisch aufbereitete Zeitschriften, die meist etwa ein- bis zweimal im Monat erschienen. Da gab es bspw. Zeitschriften wie die N-Zone oder die PC Games, die sich mit bestimmten Plattformen befassten, während andere wie die Bravo Screenfun oder die spätere MausKlick alle Geräte abdeckten. Daneben gab es aber auch die von Nintendo Deutschland eigens herausgegebene Club Nintendo. Die war für mich eigentlich Informationsquelle Nummer 1, zumal sie kostenlos war und auch noch einen Comic, Rezepte und Leserbriefe beinhaltete. Als vom Publisher selbst herausgegebene Zeitschrift, war die Club Nintendo natürlich BESONDERS unabhängig und objektiv...jaja, jedes Spiel uneingeschränkt empfehlenswert. Natürlich war dem nicht so, trotzdem hatte ich immer das Gefühl am Ende der Berichte relativ gut einschätzen zu können, ob ein Spiel mich interessierte oder nicht. Vermutlich lag das aber auch an den unzähligen Screenshots zu jedem Spiel und der jeweils angepassten optischen Ästhetik des Artikels. Das ein Turok oder Shadow Man nichts für mich waren, wusste ich z.B. auf den ersten Blick, ein Zelda-Spiel sprach mich dagegen direkt an. Interessant ist vielleicht, dass Nintendo die Zeitschrift im letzten Veröffentlichungsjahr an den Verlag Computec auslagerte, der ebenfalls die N-Zone herausgab und letztere noch heute verlegt. Als die Club Nintendo dann eingestellt wurde, verwies man laufende Abonnementen auch entsprechend auf die hauseigene N-Zone, bzw. belieferte sie bis zum Ablauf des Abozeitraums mit dieser.

Neben der Club Nintendo sind andere Zeitschriften relativ unabhängig von den Herstellern. Allerdings sind wir alle nur Menschen, auch die Journalisten bei Spielemagazinen, und auch sie haben selbstverständlich subjektive Sichtweisen bei einer Bewertung, die sie nicht abstellen können und die über eine funktionale Beschreibung hinausgeht. Sie haben Vorlieben bei Plattformen, beim Gameplay, beim Storytelling usw., die Liste könnte man noch weiter führen. Wie zuvor beschrieben, existiert kein Mittel objektiv über einen Unterhaltungswert zu urteilen, auch nicht mit der besten Arbeitsmoral oder der größten Berufs- und Spielerfahrung. Das Beispiel der USK zeigt auch, dass selbst beim Thema Jugendschutz kein objektives Urteil möglich ist, denn sonst wären es unabhängig von der Zeit und der Institution, in der das Urteil getroffen wurde.

That isn’t a review, it’s a press release.[…] Are they well-designed? Can’t tell you that: it’s supposed to be objective.” – Chris Scullion über objektive Spielreviews[5]

Das Zitat vom (derzeit) freien Videospieljournalisten Chris Scullion beschreibt das Dilemma sehr gut. Er geht in seinem ziemlich witzig überspitzt geschriebenen Post auf die Kommentare ein, die man sich als Videospieljournalist und -kritiker so anhören darf und eben auf dieses Unverständnis der Subjektivität zurückzuführen ist. Natürlich kommt diese Sicht aber auch nicht von ungefähr. Nicht selten lesen sich Reviews, als seien sie objektiv geschrieben oder beanspruchen, da von einer Fachperson verfasst, eine Meinungshoheit. Wenn ein Spielpublisher mit einer Wertung werben will, ist das natürlich praktisch, doch wenn Spieler eine konträre Meinung dazu haben, ist die Suggestion der Meinungshoheit das, was Diskussionen zur Ehrlichkeit von solchen Reviews befeuert. In der Liste schreibt Scullion dabei auch über die Wahrnehmung der Bewertungen, dass ein 8 von 10 z.B. für jeden etwas anderes bedeuten kann. In einem anderen Post geht er außerdem auch auf die Thematik ein, Kritiker nicht mit den publizierenden Seiten gleichzusetzen. Jeder Kritiker vergibt eben ganz eigene Meinungskritiken zu einem Spiel.[6]

Honestly? I just went with a number that felt right.” - Scullion, darüber wie er die numerische Endwertung festgelegt hat[7]

Zur Rekapitulation:

- Reviews suggerieren eine nicht existente Meinungshoheit

- Spieljournalisten urteilen subjektiv, wie jeder andere, haben aber gelernt, wie sie Gedanken und für sie wichtige Informationen in leicht konsumierbare Textform bringen

- ein einzelnes Review vertritt nicht die Meinung aller Angestellten einer Publikation

- nicht immer wird ein Journalist mit Vorliebe für das jeweilige Spiel ausgewählt

Am Beispiel: Sonic Unleashed wurde für gamespot von Tom Mc Shea bewertet. Wie schon am Anfang geschrieben, war der vermittelte Konsens, dass die Wii-Version die bessere gegenüber der Next-Gen-Version ist. Auch Mc Sheas Bewertung reiht sich da mit ein. So bewertet er die Wii-Version mit 7/10 und die Next-Gen-Version mit 3,5/10 Punkten. Präzisere Kontrolle und besseres Leveldesign gehen aus den Reviews als Begründung hervor. Auf die Diskrepanz zu Konsumentenkritiken gehe ich in Abschnitt 2.3 ein. Allerdings möchte ich hier noch kurz die Bewertung von Hardcore Gamer gegenüberstellen, die die Next-Gen-Version mit 4,5/5 bewertet (hochgerechnet also 9/10, damit im Vergleich höher als Mc Sheas Bewertung der Wii-Version). Die Entscheidung von Gamespot für beide Versionen den gleichen Kritiker anzustellen, führte hier zu einer schönen Vergleichbarkeit der zwei Bewertungen. Die Kritik auf Hardcore Gamer verdeutlicht dabei, wie jemand anderes das gleiche Spiel ganz anders bewerten kann. Leider gab es dort aber kein Review zur Wii-Version.

Abbildung 4: Bewertungen durch gamespot beider Versionen von Sonic Unleashed im Vergleich zur Bewertung durch hardcore gamer der Xbox360-Version.

2.2 Kritiken und ihre Entstehung im klassischen Videospieljournalismus

Spielmagazine, Kritiker und Publisher stehen in gewisser Weise in einem Abhängigkeitsverhältnis voneinander. Das ist auch beim Politikjournalismus der Fall. Man muss sich nicht mögen aber nur wenn beide Seiten voneinander profitieren bestehen auf Dauer gute Beziehungen. Das ist das Alltagsgeschäft neben investigativen Enthüllungsstories und den frei zugänglichen Pressekonferenzen. Man gibt Informationen preis und erhält dafür eine Bühne. Wenn einem die Bühne aber nicht gefällt, sucht man sich eine andere, sofern es Auswahl gibt. Doch was hat das jetzt mit Videospieljournalismus zu tun?

Hier fallen mir zwei ganz konkrete Punkte sofort ein - Werbeanzeigen und Vorabexemplare von Spielen. Werbeanzeigen sind auch in anderen journalistischen Publikationen normal. Sie sind neben dem reinen Absatz der Printausgabe die andere große Einnahmequelle. Im Web beeinflusst die Auflage (die Klicks) noch direkter den Gewinn mit Anzeigen. Die Möglichkeiten haben sich mit dem Internet definitiv erweitert, zumal mit den riesigen Werbenetzwerken auch mehr Werbepartner vorhanden sind, statt nur dem Videospielmarkt für ein Printmagazin. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob die Erträge ähnlich lukrativ sind wie noch im Print, deshalb schauen wir weiter zu den Ansichtsexemplaren. Diese werden vom Publisher an Kritiker (bzw. deren Verlage) verschickt, um ein Spiel vor Erscheinen bewerten zu können. Davon profitiert der Publisher, da es zusätzliches Marketing bedeutet, wenn über das Spiel gesprochen wird. Der Kritiker oder eben ein Verlag profitieren von der frühen Veröffentlichung eines Reviews, indem eine Zeitschrift sich öfter verkauft oder eben ein Review öfter angeklickt wird. Desto später ein Review nach anderen oder sogar nach Erscheinen des Spiels kommt, desto weniger Interesse wird es beim Leser erzeugen. Hier sind wir unweigerlich wieder bei den Werbeanzeigen.

Die Kommunikation zwischen Verlag und Publisher läuft dabei über die PR-Abteilung des Publishers. Chris Scullion gab zu dem Prozess einige Einblicke. Daraus geht auch hervor, dass benannte Ansichtsexemplare mit bestimmten Auflagen kommen. Größtenteils handelt es sich dabei darum, wann ein Review veröffentlicht werden darf. Für Internetauftritte ist da heute natürlich mehr Spielraum eine Kritik bis kurz vor Release zurückzuhalten, als bei einer Printauflage, die nur einmal im Monat erscheint und unter Umständen ein Review dann erst nach Erscheinen veröffentlicht werden kann.[8] Für mehr Details empfehle ich wirklich den, bzw. die Post(s) von Chris Scullion mal zu lesen. Diese Embargos sind natürlich nicht gesetzlich verpflichtend aber genau hier kommt eben die Beziehung zwischen Publisher und Journalist ins Spiel. Sollte man sich über die Auflagen hinwegsetzen, insbesondere bestimmte Spielabschnitte zu spoilern oder die Kritik vor dem vom Publisher festgelegten Zeitpunkt zu veröffentlichen, droht, dass man eben nie wieder ein Spiel vorab geschickt bekommt, nicht zu Presseevents eingeladen wird und auf viele andere Vorzüge verzichten muss, die eine Berichterstattung erleichtern.[9]

Ein aktuelles Fallbeispiel zum gängigen Ablauf kommt vom ehemaligen Kotaku Chefredakteur Stephen Totilo. Etwa eine Woche vor offiziellem Veröffentlichungsdatum erreichte die Redaktion das Presseexemplar von Cyberpunk 2077. Das Spannende an dem Beispiel: Hier umging die PR laut Stephen Totilo mehr oder weniger gekonnt die Pressestellen, indem man nur die PC-Version des Spiels frühzeitig zur Bewertung auslieferte und die PS4- und XBOX One-Version erst einen Tag vor Release herausgab. Beim Spiel Cyberpunk 2077 traten ja bekanntermaßen in einigen Versionen zahlreiche Bugs auf. Stephen Totilo erwähnt aber auch, dass die Praxis nur eine vom Publisher präferierte Version zu senden auch nicht ganz ungewöhnlich ist.[10]

Zeitlich haben Spielkritiker im Normalfall wohl etwa eine Woche Zeit, ein Spiel durchzuspielen und dann ein Review zu erstellen. Sowohl Chris Scullion als auch Stephen Totilo schreiben, wie anstrengend das sein kann, besonders für Spiele die manchmal mehrere Dutzende Stunden  in Anspruch nehmen, wie das neueste jRPG. Nur um das mal eben durchzurechnen, eine Arbeitswoche hat im Normalfall maximal 40 Stunden. Für die meisten jRPG wäre das nicht mal genug zum durchspielen. Daneben muss nicht nur das Review geschrieben werden, was Planung, Layout und tatsächliches “schreiben“ beinhaltet, sondern auch andere tägliche redaktionelle Dinge fallen dabei natürlich weiterhin an.

2.3 Numerische Kritiken

Das jemand ein Review in den falschen Hals bekommt ist nichts Neues. Tatsächlich kommt es sogar vor, dass selbst ein Publisher mit einem Review sehr unzufrieden ist. Im Normalfall wird das zwar nicht zur Sprache gebracht, doch manche Publisher machen ihrem Unmut doch öffentlich Luft. In den 1990er Jahren herrschte bspw. eine Art kleine Fehde zwischen dem Entwicklerstudio Team17 und dem Magazin Amiga Power. Das führte nicht nur dazu, dass das Studio dem Magazin keine Vorabversionen ihrer Spiele mehr zuschickte, sondern veranlasste die Entwickler sogar dazu besonders schlechte NPCs in ihren Spielen nach Angestellten der Amiga Power zu benennen.[11]

Auf dem Blog Catstronaut Loves Games gibt es dazu eine wunderbare Grafik. Laut dieser überspitzten Darstellung teilt sich eine Bewertungsskala von 10 in 3 ungleiche Teile auf. 10 bedeutet ein Spiel ist das Geld wert, 8-9 ist wahrscheinlich noch ok und alles darunter ist aus Sicht der Leser Müll.[12] Wenn man sich etwas Diskussionen rund um Videospielbewertungen anschaut, bemerkt man schnell, dass da irgendwie was dran zu sein scheint. Mir selbst ging es am ehesten so, wenn ich eine Bewertung zu einem anderen Spiel im Kontrast dazu noch im Kopf hatte. Wenn wir jetzt aber an den vorherigen Abschnitt zurückdenken, eine Publikation hat mehrere Mitarbeiter und jeder von Ihnen schreibt eine subjektive Kritik.

Doch warum benutzen wir dann überhaupt numerische Bewertungen? Schließlich übersetzt sich so eine numerische Wertung ja einfach nur in „das Spiel ist gut“ oder „das Spiel ist schlecht“, ohne es in jedweden Kontext zu setzen. Dieser Kontext ist das Review, die Kritik, aus der die Argumentation hervorgeht, auch wenn das numerische Fazit am Ende eine weitere subjektive Maßeinheit ist, die zu weiteren Missverständnissen führt und von der ich der Meinung bin, dass sie mehr schadet als positives bewirkt. Zwar bemühen sich viele Magazine um Transparenz in der Bewertungsfindung aber trotzdem ist eine rohe Zahl nie einfach verständlich, obwohl sie gerade das ja sein soll. Auch Unterteilungen helfen nur bedingt. Wie setzen sich die Skalen dann überhaupt zusammen? Gibt es Punktabzug für Verfehlungen oder wird addiert, was alles gut ist? Was bedeutet z.B. in Bezug auf Grafik "sieht aus wie ein PS3-Spiel -7/10" bei einem Port für die PS4? Und wie ist dann eine Wertung von 7/10 zu verstehen? Was würde weniger, was mehr Punkte geben? Ist das schlimm, wenn ein Spiel aussieht wie von einer älteren Konsole? Ich würde bspw. behaupten ein Yoshi's Island hält optisch bis heute stand und das Spiel kam für das SNES raus. Da kann es ja also nicht nur um Polygonanzahl und Kantenglättung gehen. Außerdem wie stark fallen einzelne Bewertungskriterien in die Gesamtskala, ist Grafik genauso wichtig wie Gameplay oder Story? Was wenn ein Spiel gar keine Story hat oder wie Super Mario 64 diese nur das Setting setzt? Gibt es dann 0 Punkte oder wird das dann gar nicht bewertet? Klar ist es das Gesamtkonzept, was am Ende den Spielspaß bereitet aber kann man das Gesamtpaket wirklich auf einer Skala bewerten?

Gamespot schreibt dazu auf ihrer Seite:

The score is a point of reference, but if you want to really understand whether a game (or movie or TV show) is for you or not, you'll find what you need in the content of the review itself.[13]

Eine Möglichkeit Bewertungen in etwa vergleichbar zu machen sind genrespezifische Bewertungen. Diese räumen bspw. schonmal mit dem Einwand auf, dass ein Sonic Unleashed etwas ganz anderes als ein The Legend of Zelda: Ocarina of Time ist. Doch dabei werfen sich mir neue Fragen aus, bspw. was sind die Kriterien in einem Genre, damit es gut erfüllt ist und wer legt diese fest? Wäre so eine Festlegung nicht ebenfalls subjektiv oder einigt man sich auf die Kriterien, weil diese bisher für das Genre so prägend war? Wie bewertet man dann aber die Kreativität von Genre-Standards abzuweichen? Sind Reviews von Kritikern, die das Spiel selbst ausgesucht haben nicht eventuell schon Genre-Bewertungen, weil sie ja die Vorliebe für das jeweilige Genre haben?

Einen Versuch all die Zahlen vereinfacht miteinander vergleichbar zu machen findet man auf Seiten wie OpenCritic und metacritic. Bis 2019 gab es daneben noch gamerankings, die mittlerweile jedoch mit metacritic verschmolzen ist.[14] Allerdings sind die Angaben von metacritic mit großer Vorsicht zu genießen. Die Webseite unterscheidet zwischen ihrem eigenen Metascore und dem User Score. Für den User Score können Nutzer der Webseite eine Bewertung für Spiele angeben, die dann in diesen Wert eingeht. Auf der Webseite steht dazu nichts näheres, allerdings gehe ich davon aus, dass es sich hierbei um einen reinen Durchschnittswert handelt. Daneben gibt es dann noch den Metascore, der auch präsenter auf der Webseite ausgegeben wird. Und da hat man sich einiges ausgedacht...dabei handelt es sich nämlich um einen gewichteten Mittelwert, der ausschließlich Bewertungen von Fachkritikern einbezieht, die von der Webseite erfasst werden (endlich machen sich meine verhassten Statistikseminare und Vorlesungen bezahlt!).[15] Metascore kann man auch zusammenfassen unter dem allseits bekannten und beliebten Spruch: Vertraue keiner Statistik, die du nicht selbst gefä- manipuliert hast.

Kommen wir noch einmal auf mein Beispiel vom Einleitungsabsatz zurück: Interessanterweise hat z.B. die PS3-Version von Sonic Unleashed einen schlechteren Metascore erhalten als die Xbox360-Version. Beim schnellen Blick in die Quellen zeigt sich auch warum. Der Metascore von Sonic Unleashed für die Xbox360-Version setzt sich aus 50 Fachkritiken zusammen.[16] Hier wurde nur die Hälfte der Quellen einbezogen und die besonders positiven weggelassen. Zum Beispiel das Review von hardcore gamer, welches sich offiziell laut ihnen auf beide Versionen bezieht, wurde von metacritic nur bei der Xbox360-Version verrechnet.[17]

Abbildung 5: Der Metascore für Sonic Unleashed auf metacritic. Eigener Screenshot von Metacritic.

Gewichtet bedeutet bei der Mittelwertberechnung, dass manchen Quellen mehr Gewicht in der Gesamtwertung zugesprochen wird als anderen. Ähnlich wie bspw. wenn in der Schule eine einzelne Klassenarbeit 25% der Endnote zählt und der Rest der Note sich aus vielen Tests, Mitarbeitsnoten usw. zusammensetzt. Als Begründung dafür gibt metacritic an, dass manche Kritiker mehr Ansehen in der Industrie genießen oder sie festgestellt haben, dass manche z.B. einfach bessere/detailliertere Rezensionen schreiben. Und das entscheiden sie dann einfach mal selbst und konvertieren zuvor noch jegliche fremde Bewertungen in ihr eigenes 100 Punkte-System.[18]

Die Metascore-Skala ist also offenkundig manipuliert (wie von den Webseitenbetreibern offen dargelegt), wenn auch, laut metacritic selbst, mit besten Intentionen. In der Statistik ist diese Manipulation, wenn gut begründet, zwar normal und erstmal nichts falsches, allerdings sollte der Prozess nachvollziehbar sein, weggelassenes aufgezeigt und die unterschiedliche Wichtung ersichtlich sein. Das der Prozess mit der Begründung eines "Geschäftsgeheimnisses" verschleiert wird ist aus meiner Sicht der größte Kritikpunkt hierbei und aus meiner wissenschaftlichen Perspektive nicht vertretbar. Vertrauen würde ich ihr so also auf keinen Fall. Manche Eingriffe in die Statistik sind offen nachvollziehbar, wie das weglassen mancher Publikationen, wie am Beispiel von Sonic Unleashed gezeigt, die Wichtung verschiedener Publikationen bleibt dagegen geheim. Der User Score auf der anderen Seite wirkt aufgrund der hohen Nutzerzahl auf den ersten Blick recht aussagekräftig (z.B. bei Sonic Unleashed sind es bei der Xbox360-Version 523 Nutzerbewertungen bei Veröffentlichung dieses Posts).

Die Metascore-Wertung zeigt auch das anfangs angesprochene Dilemma zwischen Fachpresse und Konsumenten. Favorisierten die Fachkritiker eher die Wii-Version (Metascore von 66, User Score von 7.2), favorisierten Konsumenten eher die Xbox360-/PS3-Version (Metascore von 60 und User Score von 8.2). Zugegebener Maßen unterscheiden sich die Metascore-Wertungen der beiden Versionen nicht immens. Dafür spiegeln aber die beiden Bewertungssysteme die Diskrepanz zwischen Spielermeinung und Meinung der Fachpresse im Vergleich der Wii-Version und Next-Gen-Version sehr gut wider.

Was bringt es mir allerdings, wenn so viele Leute vielleicht gerade super geflasht und überpositiv vom Spiel reden oder einfach nur irgendeine Zahl ohne viel Gedanken aus dem Bauch raus eingeben? Oder im Falle negativer Bewertungen die Gesamtwertung mit Absicht herunterziehen wollen, bspw. aus Protestbewegung (angesprochenes Review-Bombing? So kann man auch beobachten, dass Skandalisierung und Aufregung Nutzerbewertungen generiert, wenn man also ein Spiel vor einer vermeidlichen Öffentlichkeit verteidigen oder eben niedermachen will. Andererseits ist auch bekannt, dass Leute dazu neigen eher bei Frust diesem öffentlich Luft zu machen aber bei Gefallen eher schweigen. Manche Nutzer schreiben auch, dass sie nie einem Spiel 10 oder 0 geben würden...ja toll, verzerrt diese persönliche Einstellung nicht auch das Ergebnis, wenn jeder nach anderen Maßstäben bewertet? Und selbst eine immense Zahl an positiven Nutzerbewertungen bedeutet nicht, dass das Spiel direkt für mich Spielspaß bedeutet.
„So viele können ja nicht irren.“ – 1. können sie und 2. ist Massengeschmack nicht zu verwechseln mit Objektivität. Statistisch gesehen kann man aber auch argumentieren, dass eine so hohe Anzahl an Bewertungen Fehler negiert. Doch was sieht man als Fehler an, wenn jemand ein Produkt anders bewertet als man selbst?

Ein anderes persönliches Beispiel: Die Bewertung von The Legend of Zelda: Breath of the Wild hat 109 professionelle Rezensionen einbezogen, der User Score von BotW setzt sich aus 16610 Nutzerbewertungen bei Veröffentlichung dieses Posts zusammen.[19] Last of Us Remastered (der erste Teil, PS4-Version) hat auf metacritic z.B. ebenfalls 15856 Nutzerbewertungen bekommen und rangiert dort sogar 0,5 von 10 Punkten über BotW. Dagegen ist der Metascore um 2 Punkte (von 100) schlechter als bei Zelda und setzt sich dabei auch nur aus 70 professionellen Publikationen zusammen. Für mich war Last of Us mit sehr viel weniger Spielspaß und Emotionen verbunden als BotW, obwohl beide Spiele relativ ähnlich auf der Seite bewertet wurden. Allerdings sind die Zielgruppen auch komplett andere, ebenso wie Spielmechaniken, Story und vieles Andere ebenfalls. Beide Spiele haben mir zwar Spaß gemacht, allerdings weiß ich sehr genau, dass ich persönlich LoU nicht so nah an BotW sehen würde und im Entscheidungsfall immer eher ein neues Zelda vorziehen würde, einfach weil LoU absolut nicht mein Spielgenre ist.

3. Fazit:

Natürlich haben Rezensionen ihre Daseinsberechtigung und können Denkanstöße geben, was an manchen Spielen aus persönlicher Sicht verbesserungswürdig wäre oder was besonders gut auffiel. Außerdem besitzen sie in sich selbst einen Unterhaltungswert, es macht einfach Spaß die Meinung anderer zu einem Spiel zu lesen. Auch geben sie manchmal vielleicht Anreiz mal ein neues Genre auszuprobieren oder machen auf ein Spiel überhaupt erst aufmerksam. Ohne all die positiven Kritiken von Fans und Fachpresse wäre mir zum Beispiel nie in den Sinn gekommen ein Last of Us überhaupt auszuprobieren. Und auch wenn es für mich nicht das beste Spiel aller Zeiten ist, bin ich dennoch froh darüber es gespielt zu haben und dadurch mehr über meine eigenen Spielvorlieben gelernt zu haben. Das lag weniger am Spielprinzip oder der versprochenen Geschichte mit Zombies, sondern an der Begeisterung der Spieler, die ich nachvollziehen wollte. Das macht für mich den kritischen Austausch über Spiele aus. Durch ihn erlebe ich mehr von der Welt der Videospiele und letztendlich auch von mir selbst.

Diskussionen zu Spielen entstehen, weil man sich nicht einig ist. Der Austausch mag spannend sein, doch es sind keine Diskussionen bei denen man, aus meiner Sicht, auf Überzeugung aus sein sollte. Geschmack und Wahrnehmung sind subjektiv. Ob mir ein Action-Third-Person-Shooter gefällt, mich ein rundenbasiertes jRPG begeistert oder ich mein Reaktions- und Koordinationsvermögen am liebsten in einem Plattformer auf die Probe stelle, liegt allein bei mir selbst.

Vertraut eurer eigenen Spielerfahrung, lest Rezensionen kritisch und nutzt eure Neugier auf die Welt der Videospiele, um neue Spiele für euch zu entdecken. Rohe Zahlen sind keine objektive Bewertung, da niemand sicher einschätzen kann, wie Spielinhalte mit euren eigenen Empfindungen resonieren. Um Rezensionen richtig deuten zu können, sollte man nicht nur sich selbst und die eigenen Spielvorlieben kennen, sondern auch versuchen nachzuvollziehen aus welcher Sicht der Autor schreibt. Besonders wenn ihr neu im Medium seid und noch nicht viel gespielt habt, traut euch auszuprobieren. Und auch wenn ihr alteingesessene Videospieler seid - scheut euch nicht davor eure Komfortzone mal zu verlassen und auch Genres und Grafikstile zu testen, die euch eigentlich nicht direkt zusagen. Das beste Bild erhaltet ihr meiner Meinung nach, indem ihr Bewertungen aufmerksam lest, wenn möglich noch mit anderen vergleicht und auf eure eigenen Vorlieben und Erfahrungen vertraut. Ich persönlich schaue bspw. sehr gern unkommentierte Gameplayvideos an, um zu entscheiden ob mich ein Spiel interessiert. Ich bezweifle, dass Bewertungsskalen verschwinden werden, dafür sind sie einfach zu komfortabel zu lesen und lassen sich zu leicht im Marketing einsetzen, aber wenn ihr aufmerksam lest und eure eigenen Interessen und Vorlieben mit einbezieht, solltet ihr einen guten Kompass haben, um auch das nächste digitale Abenteuer ausfindig zu machen.

Vielen Dank an alle, die bisherher gelesen haben! Ich hoffe dieser doch sehr lange Post hat euch gefallen. Ich wünsche euch viel Spaß bei euren nächsten digitalen Abenteuern und wir lesen uns beim nächsten Eintrag!

Quellenliste (zuletzt abgerufen 24.03.2021)
Abbildungsverzeichnis

Abbildungs 1 zusammengesetzt aus:
Screenshot von Senran Kagura: Peach Beach Splash (PS4, Tamsoft 2017)
Screenshots der Bewertungsskalen aus Reviews von Senran Kagura Peach Beach Splash von:
http://www.cubed3.com/review/4214/1/senran-kagura-peach-beach-splash-playstation-4.html
https://www.gameblog.fr/tests/2719-senran-kagura-peach-beach-splash-ps4
https://hardcoregamer.com/2017/09/29/review-senran-kagura-peach-beach-splash/273917/
https://www.levelup.com/PlayStation-4/juegos/403422/Senran-Kagura-Peach-Beach-Splash/review
https://www.destructoid.com/review-senran-kagura-peach-beach-splash-462323.phtml
http://www.digitallydownloaded.net/2017/09/review-senran-kagura-peach-beach-splash.html
https://www.dualshockers.com/senran-kagura-peach-beach-splash-review/
https://nichegamer.com/reviews/senran-kagura-peach-beach-splash-review/
https://platget.com/reviews/senran-kagura-peach-beach-splash-platinum-review/
https://wegotthiscovered.com/gaming/senran-kagura-peach-beach-splash-review/

Abbildung 2:
eigene Fotos der Spielverpackungen von Sonic Unleashed (Wii, SEGA 2008) und The Legendof Zelda: The Wind Waker (Game Cube, Nintendo 2002)

Abbildung 3:
eigene Fotos der Spielverpackungen von Persona 3 (PS2, Atlus 2008), Shadow of the Colossus (PS2, Japan Studio/Team ICO 2006), Prince of Persia: Sands of Time (PS2, Ubisoft 2004)

Abbildung 4:
Screenshots der Bewertungsskalen zu Sonic Unleashed (Wii & Xbox360/PS3, Sonic Team 2008) von
https://www.gamespot.com/reviews/sonic-unleashed-review/1900-6202025/
https://www.gamespot.com/reviews/sonic-unleashed-review/1900-6202292/
https://hardcoregamer.com/2008/11/19/review-sonic-unleashed/32746/

Abbildung 5:
Screenshots der Bewertungsskala zu Sonic Unleashed (Xbox360- und PS3-Version, Sonic Team 2008) von https://www.metacritic.com/game/playstation-3/sonic-unleashed/critic-reviews + https://www.metacritic.com/game/xbox-360/sonic-unleashed/critic-reviews)

Fußnoten:
[1] “Design Club - Super Mario Bros: Level 1-1 - How Super Mario Mastered Level Design“ (https://www.youtube.com/watch?v=ZH2wGpEZVgE veröffentlicht 05.06.2014)
[2] „USK Broschüren“ (https://usk.de/die-usk/broschueren/ keine Angabe des Veröffentlichkeitsdatum)
[3] „Gal Gun 2 - Videospiel wurde nicht indiziert“ (https://www.schnittberichte.com/news.php?ID=14405 veröffentlicht: 07.02.2018)
[4] „Bewerten im Kunstunterricht. Vier Methoden (https://georgpeez.de/bewerten-im-kunstunterricht-vier-methoden/ veröffentlicht 07. März 2020)
[5] „14 things you should never say to a games journalist” (https://tiredoldhack.com/2019/04/08/14-things-you-should-never-say-to-a-games-journalist/ veröffentlicht 08. April 2019)
[6] The corrupt world of video games reviews part 2 (https://tiredoldhack.com/2015/03/08/the-corrupt-world-of-video-games-reviews-part-2/ veröffentlicht 08. März 2015)
[7] ebd.
[8] „The corrupt world of video game reviews - part 1 (https://tiredoldhack.com/2015/02/04/the-corrupt-world-of-video-game-reviews-part-1/ veröffentlicht 04. Februar 2015)
[9] Here's How Video Game Embargoes (And Other Restrictions) Work (https://www.msn.com/en-us/entertainment/gaming/how-video-game-review-restrictions-work-and-dont/ar-BB1doRCd veröffentlicht 02. April 2020)
[10] ebd.
[11] Worms or bust: The story of Britain’s most tenacious indie games company: 25 years after its Amiga debut, Team17 soldiers on with Worms and indie publishing. (https://arstechnica.com/gaming/2016/06/history-of-team17-and-worms/ veröffentlicht 06. Dezember 2016)
[12] Failing grades: why review scores are stupid (https://catstronaut.wordpress.com/2013/04/06/failing-grades/ veröffentlicht 06. April 2013)
[13] About GameSpot Reviews: Remember to read the text, not just the scores (https://www.gamespot.com/review-guidelines/ veröffentlicht 06. Mai 2019)
[14] Big News from the GameRankings/Metacritic Team (https://web.archive.org/web/20191204051348/https://www.gamerankings.com/news.html kein Veröffentlichungsdatum angegeben)
[15] Frequently Asked Questions: How do you compute Metascores? (https://www.metacritic.com/faq#item11 kein Veröffentlichungsdatum angegeben)
[16] Metacritic: Sonic Unleashed Xbox 360 (https://www.metacritic.com/game/xbox-360/sonic-unleashed/critic-reviews kein Veröffentlichungsdatum angegeben)
[17] Metacritic: Sonic Unleashed PlayStation 3 (https://www.metacritic.com/game/playstation-3/sonic-unleashed/critic-reviews kein Veröffentlichungsdatum angegeben)
[18] Frequently Asked Questions: Entertainment Weekly gave [MOVIE NAME] a B+; why does Metacritic list their grade as an 83? (https://www.metacritic.com/faq#item16 kein Veröffentlichungsdatum angegeben)
[19] Metacritic: The Legend of Zelda Breath of the Wild: Switch (https://www.metacritic.com/game/switch/the-legend-of-zelda-breath-of-the-wild kein Veröffentlichungsdatum angegeben)

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